Krankheitsbedingte Kündigung im Fokus

Krankheitsbedingte Kündigung – Wie ist die Rechtslage?

Darf ein Arbeitgeber einen kranken Arbeitnehmer kündigen? Und was hat es eigentlich mit der Kündigungsschutzklage auf sich? Dies und mehr erfahren Sie heute bei uns!

Eine Erkrankung von Mitarbeitern kommt in den besten Betrieben vor. Sind Arbeitnehmende längerfristig krank und fallen für eine unbestimmte Zeit aus, so kann eine starke Belastung für andere Mitarbeiter entstehen. Sind Arbeitnehmer in einem Unternehmen beschäftigt, so kann deren Ausfall zu unerwarteten Problemen führen. Im besten Fall sind Arbeitnehmer nach 1-2 Wochen genesen und kehren zurück an den Arbeitsplatz.

Doch was ist eigentlich, wenn ein Arbeitnehmer längerfristig erkrankt ist? Inwieweit kann oder darf der Arbeitgeber eine neue befristete Kraft als Vertretung auf dessen Stelle einstellen? Droht dem erkrankten Arbeitgeber im schlimmsten Fall die Krankheitsbedingte Kündigung? Dies hat jüngst das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 10.01.2024, 3 Sa 74/23) entschieden. 

 

Der Fall

Fakten 

Doch zuallererst prüfen wir die Fakten: Was genau ist passiert? Streitpunkt in dem Urteil war die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung durch eine Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin war seit dem 6.12.2021 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Vor der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit fiel sie bereits mehrmals vorübergehend wegen Erkrankung aus. Am 03.06.2022 wurde die Klägerin zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 167 II SGB IX eingeladen. Über dessen Ziele wurde die Arbeitnehmerin ordnungsgemäß aufgeklärt. Jedoch lehnte sie die Teilnahme am betrieblichen Eingliederungsmanagement ab. Ihre Begründung hierfür war ihre anhaltende Arbeitsunfähigkeit. 

 

Kündigung nach Anhörung des Betriebsrats 

Anfang November 2022 erfolgte eine Anhörung durch den Betriebsrat zur beabsichtigten personenbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG. Eine Zustimmung durch den Betriebsrat erfolgte im Anschluss. Aus dem Anhörungsschreiben der Beklagten geht folgendes hervor: „die vorliegenden Fehlzeiten rechtfertigen die Besorgnis (…), dass zukünftig nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist“. Ebenso seien „durch den langfristigen Ausfall (…) erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen entstanden“.  

Gegen die Kündigung erhob die erkrankte Arbeitnehmerin eine Kündigungsschutzklage. Ihrer Meinung nach besteht keine negative Prognose ihres Gesundheitszustandes. Die Ärzte hätten ihr zugesagt, dass sie bis Oktober 2024 wieder arbeitsfähig sein könne.  

Die eingereichte Kündigungsschutzklage stellte sich als angemessen heraus. Das zuständige Arbeitsgericht hat die Kündigung der Arbeitgeberin für unwirksam gehalten. Die Arbeitgeberin hat jedoch gegen das Urteil Berufung eingelegt. Hierfür hatte sie vorgetragen, dass sie eine neue Mitarbeiterin für die Tätigkeit der erkrankten Klägerin bereits im Oktober 2022 übernehmen musste. Im Januar 2022 erfolgte bereits die Einarbeitung in ihre neue Tätigkeit.

 

Entscheidung des Gerichts

Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass die Krankheitsbedingte Kündigung der Arbeitgeberin unwirksam ist. Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage ist somit begründet. Begründung hierfür ist, dass die Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam ist. Eine Unwirksamkeit besteht ebenso durch die mangelhafte Betriebsratsanhörung gem. § 102 I S. 3 BetrVG.

 

Zeitraum von 24 Monaten 

Nach der Ansicht des Gerichts habe die Arbeitgeberin nicht genügend dargelegt, dass die Interessen des Betriebes erheblich beeinträchtigt sind. Gerade bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit liegt es in der Natur der Sache, dass betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt werden. Erst wenn ein Arbeitnehmer länger als 24 Monate krankheitsbedingt ausfällt, besteht eine Ungewissheit bezüglich der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers.  

Ein Arbeitgeber kann sich jedoch nicht sicher sein, dass eine Verbesserung des Gesundheitszustandes nicht doch noch in den nächsten 24 Monaten verbessert. Dafür fehlen die konkreten Angaben in der erforderlichen Betriebsanhörung zur beabsichtigten Kündigung, so das Gericht. Eine genaue zeitliche Angabe des Ausfalls der Arbeitnehmerin wurde bei dem Gespräch des Betriebsrates hingegen nicht genannt. Unter dem Ausdruck, dass „zukünftig nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen sei“, kann vieles interpretiert werden. Jedoch war bis zum Ablauf der 24 Monate genügend Zeit, sodass mit einer Genesung noch gerechnet werden kann. 

 

Problem der unbefristeten Doppelbesetzung 

Ein weiterer Grund für die betriebliche Beeinträchtigung stellt die unbefristete Doppelbesetzung auf einem Arbeitsplatz einer neuen Arbeitnehmerin dar. Diese würde zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führen. Um dieses Problem zu umgehen, hätte die Arbeitgeberin einen zur Vertretung befristeten Mitarbeiter einstellen können. Für den krankheitsbedingten Ausfall der Klägerin wäre eine Anstellung der Vertretung für einen Zeitraum von zwei Jahren angemessen. Für das Gericht bleibt es fraglich, warum die Arbeitgeberin diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hat. 

 

Unwirksamkeit durch unwirksame Anhörung des Betriebsrates 

Zudem wurde der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört. Der Betriebsrat muss von der Arbeitgeberin alle Gründe für eine Kündigung mitgeteilt bekommen. Für die Abreitgeberin war es gerade entscheidend, dass die Stelle der Klägerin durch eine neue Arbeitnehmerin besetzt werden sollte. Die Position der Klägerin wurde bereits im Januar 2022 durch die neue Mitarbeiterin übernommen. Eine Anhörung des Betriebsrates erfolgte jedoch erst im November 2022, also 10 Monate später. Dies bedeutet, dass der Betriebsrat darüber gar nicht mehr entscheiden konnte. Somit wurde der Betriebsrat nicht vollständig angehört. Eine Unwirksamkeit der Kündigung liegt somit vor. 

 

Krankheitsbedingte Kündigung 

Krankheitsbedingte Kündigungen führen häufig zu Ungewissheit auf Seiten des Betroffenen. Ein Arbeitgeber spricht eine Kündigung aus, wenn der Arbeitnehmer durch seine Krankheit den Arbeitsvertrag nicht mehr erfüllen kann. Diese stellt den wichtigsten Unterfall der ordentlichen Kündigung aus Gründen des Arbeitnehmers dar. 

 

Ist eine Kündigung während einer Krankheit zulässig? 

Ein Arbeitgeber kann einen Mitarbeiter aufgrund seiner Erkrankung entlassen. Dann wird von einer personenbedingten Kündigung gesprochen. Diese ist grundsätzlich möglich. Der Arbeitgeber muss allerdings darlegen, dass die Arbeit durch die Erkrankung dauerhaft gestört oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr möglich ist. Beispiele hierfür sind die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit, Langzeiterkrankungen oder eine geminderte Leistungsfähigkeit aufgrund der Krankheit. 

Für eine Kündigung wegen der Krankheit gelten drei Voraussetzungen:  

 

1. Negative Prognose:  

Eine negative Prognose ist bei verschiedenen Punkten gegeben. Zum einen liegt eine negative Prognose vor, wenn eine Kurzerkrankung wiederholt auftritt. Zum anderen, wenn bei Langzeiterkrankungen oder Leistungsminderungen keine Besserung in Sicht ist.  

 

2. Betriebliche Interessen

Bei Erkrankungen sind betriebliche Interessen stark beeinträchtigt. Es kann nicht nur zu Störung des Betriebslaufs und zur mangelnden Planungssicherheit führen. Sondern auch zu wirtschaftlichen Belastungen des Unternehmens. 

 

3. Interessenabwägung 

Bei der Interessenabwägung spielen verschiedene Kriterien eine Rolle. Neben Alter und Familienstand des Arbeitnehmers, ist es fraglich, ob es betriebliche Ursachen für die Krankheit des Arbeitnehmers gibt. 

 

Wurden alle aufgelistete Punkte ordnungsgemäß geprüft, kann eine Kündigung wegen einer Krankheit sein.

 

Krankheitsbedingte Kündigung – was ist zu tun?

Liegt eine krankheitsbedingte Kündigung vor, fühlen sich Betroffene in dieser Situation oft unsicher. Doch in einer solchen Situation ist noch nicht alles verloren! Das Wichtige ist: Keine Zeit verlieren und einen kühlen Kopf bewahren.  

Als erstes besteht immer noch die Möglichkeit ein Gespräch mit dem Arbeitgeber zu führen. Betroffene sollten bei diesem Gespräch ihren Gesundheitszustand genau erklären. Es kann durchaus sein, dass dem Arbeitgeber der genaue Gesundheitszustand überhaupt nicht bewusst ist und er seine Entscheidung überdenkt.  

Des Weiteren kann eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Platz in dem Unternehmen in Betracht kommen. Je nach Schwere der Erkrankung ist eine Fortbildung oder Umschuldung auf eine andere Position in dem Unternehmen möglich. 

Ebenso besteht die Option sich rechtliche Hilfe zu holen und eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Zögern Sie nicht sich Hilfe zu holen. Denn bei diesem Vorgehen laufen Fristen, welche dringend einzuhalten sind!  

Darüber hinaus kann die Möglichkeit einer Abfindung für Sie interessant sein. Lehnen Sie eine potenzielle Weiterbeschäftigung in dem Unternehmen ab, so ist es ratsam eine Abfindung mit dem Arbeitgeber auszuhandeln. 

 

Fazit 

Wie das Urteil aus Schleswig-Holstein zeigt, ist es wichtig eine krankheitsbedingte Kündigung genaustens zu überprüfen. Die eingereichte Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin stellte sich nämlich als angemessen heraus. Das zuständige Arbeitsgericht hat die krankheitsbedingte Kündigung der Arbeitgeberin für unwirksam gehalten.  

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation oder sind fallen Sie krankheitsbedingt länger als und haben Angst, dass ihnen Ähnliches passiert? Dann zögern Sie nicht und melden Sie sich bei uns! Wie Sie gelesen haben muss die Frist zum Einreichen der Kündigungsschutzklage eingehalten werden. Lassen Sie sich eine positive Wendung nicht entgehen und holen Sie Hilfe hinzu. Wir stehen Ihnen bundesweit zur Verfügung. Nutzen Sie dazu gerne unsere Online-Terminvereinbarung. Mit wenigen Klicks kommen Sie bequem von zuhause an Ihren Termin mit unseren Anwälten.  

Falls Sie mehr lesen möchten, schauen Sie gerne auf unserem Blog vorbei. Hineinschauen lohnt sich! 

 

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Kategorie

Allgemein | Betriebsrat | Krankheit | Kündigung
6. Juni 2024

Ansgar F. Dittmar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator
Tel.: +49(0)69-2097378-0
Fax.: +49(0)69-2097378-10
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