BAG: Betriebsrat kann Präsenzschulung verlangen

Anspruch auf Präsenzschulung? 

Betriebsräte haben Anspruch auf die für ihre Betriebsratsarbeit erforderlichen Schulungen. Das heißt, sie können eine auswärtige Präsenzschulung wählen, auch wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet. Das hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschieden (BAG Beschluss vom 07.02.2024, Az. 7 ABR 8/23). 

  

Sachverhalt: Präsenzschulung oder Webinar?

Darum ging es: Bei der Arbeitgeberin und Beschwerdeführerin ist durch Tarifvertrag eine Personalvertretung eingerichtet, auf die gemäß Tarifvertrag das Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden ist.  Demnach richtet sich der Schulungsanspruch auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz. 

Die Personalvertretung beabsichtigte zunächst zwei Mitglieder zu einer Präsenzschulung im Betriebsverfassungsrecht Teil 1 in Binz auf Rügen zu entsenden. Die Arbeitgeberin stimmte der Schulung grundsätzlich zu, aus Kostengründen solle aber ein Seminar in der räumlichen Nähe des Standorts in NRW oder ein Webinar ausgesucht werden. Die Personalvertretung entschied sich daraufhin für ein Seminar in Potsdam woraufhin die Teilnahme der beiden Mitglieder erfolgte. 

Die Arbeitgeberin weigerte sich die Personalvertretung für die in Rechnung gestellten Schulungskosten sowie die Übernachtungs- und Verpflegungskosten gegenüber dem Schulungsträger freizustellen. Die Personalvertretung beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht Düsseldorf die Arbeitgeberin zur Kostenübernahme zu verpflichten. 

  

Entscheidung Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag durch Beschluss stattgegeben und u.a. ausgeführt, dass die Personalvertretung die Kosten des von seinem Inhalt her notwendigen Präsenzseminars in Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums für erforderlich und. Verhältnismäßig halten dürfen. Ein Webinar desselben Anbieters zum selben Thema sei nicht gleichwertig (Urteil des ArbG Düsseldorf vom 17.11.21, Az.: 10 BV 126/21). 

In ihrer Beschwerde hat die Arbeitgeberin den Beschluss des Arbeitsgerichtes hinsichtlich der Freistellung der Personalvertretung wegen der Seminargebühren nicht mehr angegriffen, da diese ‚so oder so‘ angefallen wären. Die Arbeitgeberin beantragte nunmehr den Beschluss abzuändern und den Antrag der Personalvertretung zurückzuweisen, wonach sie verpflichtet worden ist die Personalvertretung wegen den Übernachtungs- und Verpflegungskosten gegenüber dem Schulungsträger freizustellen. 

  

Entscheidung Landesarbeitsgericht

Das LAG Düsseldorf (Az.: 8 TaBV 59/21) stellte in seinem Beschluss vom 24.11.2022 die Unbegründetheit der Beschwerde der Arbeitgeberin fest. Vielmehr ist der Antrag der Personalvertretung auf Freistellung von den Übernachtungs- und Verpflegungskosten begründet. Die Arbeitgeberin sei zur Freistellung verpflichtet, es handele sich um erforderliche und verhältnismäßige Schulungskosten. Die durch die Tätigkeit der Personalvertretung entstehenden Kosten muss der Arbeitgeberin tragen. Hierzu gehören auch die Kosten für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung, sofern das vermittelte Wissen für die Arbeit der Personalvertretung erforderlich ist. 

Die Vermittlung des Wissens sei erforderlich, damit die gegenwärtigen und zukünftig anstehenden Aufgaben der Personalvertretung ordnungsgemäß erfüllt werden können. Dies umso mehr bei erstmalig gewählten Mitgliedern des Gremiums. Die Vermittlung dieses Wissen versetze die Mitglieder erst in die Lage die Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit stehe der Personalvertretung ein Beurteilungsspielraum zu. Dabei müsse das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit berücksichtigt werden. 

Die Arbeitgeberin darf nur mit den Kosten belastet werden, die sich auf das notwendige Maß beschränken. Die Teilnahme an einer Schulung dürfe nicht für erforderlich gehalten werden, wenn vergleichbare Kenntnis zumutbar und kostengünstiger zu verschaffen seien. Allerdings ist die Personalvertretung nicht gehalten in umfassender Analyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln, ohne Rücksicht auf weitere Erwägungen. 

Im vorliegenden Beschlussverfahren durfte die Personalvertretung auch in Anbetracht der Kosten für Übernachtung und Verpflegung und Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation annehmen dass eine Präsenzschulung bezogen auf den Lernerfolg wesentlich effektiver ist als eine Onlineschulung. Dabei spiele auch die Frage der deutlich größeren Distanz zwischen Seminarleiter und Schulungsteilnehmern wie auch untereinander, wie sie sich bei einem Webinar gegenüber einer Präsenzschulung darstellt eine bedeutende Rolle. Das Ganze gelte erst Recht, wenn der Entscheidung gegen ein Webinar der Wunsch der Gremiumsmitglieder zugrunde liege. 

Die Personalvertretung musste sich auch nicht auf die räumlich näheren Seminare verweisen lassen, da dem zum einen terminliche Gründe der Schulungsteilnehmer entgegenstanden und zum anderen ein weiteres räumlich näheres Seminar über fünf Wochen später als das gebuchte Seminar stattfand. Auch eine weitere angebotene Schulung war nicht zumutbar, weil die Teilnahme ein tägliches Pendeln über eine Strecke von 170 km zwischen Wohnung und Seminarort bedeutet hätte. 

  

Rechtsbeschwerde ans BAG

Das LAG hat der Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich eine betriebliche Arbeitnehmervertretung auf die Teilnahme an Webinaren anstatt an Präsenzschulungen verweisen lassen muss, grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. 

  

Fazit: Spielraum bei der Wahl der Präsenzschulung

Die Personalvertretung hat einen Spielraum bei der Wahl der Schulungen. Dieser Spielraum umfasst gerade auch das Schulungsformat, also ob es sich um ein Präsenzseminar oder um ein Webinar handelt.  

Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar durch Übernachtung und Verpflegung regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar. Die Übernahme der Gesamtkosten durch die Arbeitgeberin folgt aus § 40 Abs. 1 BetrVG und dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, § 2 Abs. 1 BetrVG. 

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Ansgar F. Dittmar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator
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