Wenn die Massenentlassung droht …
Immer öfters sorgen Ankündigungen von Stellenabbaupläne in Konzernen für große Verunsicherung bei ihrer Belegschaft. Die Angst vor Massenentlassungen nimmt zu. Angesichts der Gefahr des Wegfalls des Arbeitsplatzes sollten betroffene Arbeitnehmer: innen schnell handeln. Mit diesem Beitrag wollen wir sichergehen, dass Sie Ihre Rechte bei einer Massenentlassung richtig wahrnehmen.
Was ist eine Massenentlassung?
Eine anzeigepflichtige Massenentlassung gemäß § 17 Abs. 1 KSchG liegt vor, wenn in Betrieben mit in der Regel
- 21 bis 59 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer
- 60 bis 499 Arbeitnehmern 10 % oder mehr als 25 Arbeitnehmer
- mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen werden.
Zu den Arbeitnehmer: innen zählen hierbei auch Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte, Auszubildende, Praktikanten und Arbeitnehmer in Elternzeit.
Betriebe mit 20 oder weniger Beschäftigten, sowie Saison- und Kampagne-Betriebe sind vom Anwendungsbereich der Massenentlassung ausgenommen.
Ablauf einer Massenentlassung
Das Massenentlassungsverfahren erfolgt zweistufig.
Konsultationsverfahren
Zunächst sollen die Arbeitnehmer: innen im Konsultationsverfahren vor der drohenden Massenentlassung geschützt werden. Im Kern dient diese Verfahrensstufe der vorherigen Beteiligung des Betriebsrats. Der Arbeitgeber ist gem. § 17 Abs. 2 KSchG verpflichtet, dem Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der geplanten Massenentlassungsanzeige die zweckdienlichen Auskünfte über die Entlassungen mitzuteilen und ihn schriftlich insbesondere über
- die Gründe der Entlassungen,
- die Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
- die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
- den Zeitraum in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
- die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer und
- die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehener Kriterien
zu informieren.
eine Massenentlassung in Erwägung zieht oder sogar einen Plan für eine solche aufstellt.
Der Betriebsrat ist dann im Regelfall zwei Wochen nach der Unterrichtung zur Abgabe einer Stellungnahme fähig. Sofern eine Stellungnahme nicht erfolgt, darf der Arbeitgeber vom Abschluss des Konsultationsverfahrens ausgehen.
Das Konsultationsverfahren verfolgt vor allem den Zweck, das Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zustande kommen. Auf diese Weise sollen Entlassungen vermieden oder eingeschränkt werden. Unterbleibt die Beteiligung des Betriebsrats oder erfolgt diese fehlerhaft, führt dies zwingend zur Unwirksamkeit der Kündigungen.
Sofern von der Massenentlassung auch schwerbehinderte Arbeitnehmer: innen betroffen sind, muss gem. § 178 Abs. 2 SGB IX auch die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden.
Anzeigeverfahren
Im zweiten Schritt muss der Arbeitgeber die geplanten Massenentlassungen gegenüber der Agentur für Arbeit schriftlich, unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats anzeigen. Hiermit werden beschäftigungspolitische Zwecke verfolgt. Die Agentur für Arbeit soll so rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf Entlassungen einer größeren Anzahl von Arbeitnehmer: innen vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können.
Die Anzeige muss durch den Arbeitgeber vorgenommen werden, sobald eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats beim Arbeitgeber eingegangen ist oder mindestens zwei Wochen seit der wirksamen Unterrichtung des Betriebsrats vergangen sind.
Die Anzeige muss folgende Angaben beinhalten:
- Firmenname
- Art und Sitz des Betriebes
- Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer
- Zahl und Berufsgruppen der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer
- Gründe für die geplanten Entlassungen
- Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen/Aufhebungs- bzw. Änderungsverträge angeboten werden sollen
- Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer
Zudem muss der Arbeitgeber wiederum dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige an die Agentur für Arbeit zuleiten. Gegenüber der Agentur für Arbeit kann der Betriebsrat dann weitere Stellungnahmen abgeben.
Die Agentur für Arbeit überprüft daraufhin, ob das durchgeführte Konsultationsverfahren ordnungsgemäß ausgeführt wurde.
Mit Eingang der Anzeige der Massenentlassung beginnt gem. § 18 KSchG auch der Lauf einer einmonatigen Entlassungssperre. Zwar kann der Arbeitgeber in dieser Zeit trotzdem Kündigungen aussprechen, diese werden aber mit Ablauf der einmonatigen Frist wirksam.
Zudem beginnt mit der Anzeige auch die 90-tägige Freifrist. Wenn die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach Anzeige der Massenentlassung vorgenommen werden, muss der Arbeitgeber die Massenentlassung erneut anzeigen.
Worauf müssen Sie achten, wenn Sie betroffen sind?
Für betroffene Arbeitnehmer ist es wichtig, zeitnah gegen eine Kündigung vorzugehen.
Mit Zugang der Kündigung beginnt die dreiwöchige Klagefrist. Die Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Massenentlassungsverfahrens müssen die betroffenen Arbeitnehmer: innen im Rahmen eines gerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens geltend machen. Häufig hat ein solches Verfahren Chancen auf Erfolg, da es aufgrund der Komplexität der Verfahrensabläufe bei einer Massenentlassung regelmäßig zu Fehlern kommt.
Wenn das Unternehmen einen Betriebsrat hat
Ein starker Betriebsrat ist gerade bei Massenentlassungen wichtig.
Bei einer Massenentlassung handelt es sich um eine so genannte Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG. Es können im Rahmen eines Sozialplans Abfindungszahlungen vereinbart worden sein. Der Betriebsrat ist hierbei frühzeitig zu beteiligen und muss gut verhandeln, um die wirtschaftlichen Nachteile der Betroffenen so gering wie möglich zu halten. Vorteilhaft für die betroffenen Arbeitnehmer: innen ist der Umstand, dass die Abfindung selbst dann zu zahlen ist, wenn die ausgesprochene Kündigung wirksam ist. Die Abfindung ist den Arbeitnehmern in diesem Fall sicher.
Mit Erhebung einer Klage können zwei Zwecke verfolgt werden. Einerseits könnte die Sicherung des Arbeitsplatzes angestrebt werden oder im Wege eines Abfindungsvergleichs eine höhere Abfindungssumme ausgehandelt und das Arbeitsverhältnis beendet werden. Wenn z. B. nur wenigen Arbeitnehmer: innen im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt wird, kann darüber hinaus überprüft werden, ob der Arbeitgeber diese gem. § 1 KSchG richtig ausgewählt hat. Auch hier gibt es viele Stolperfallen für Arbeitgeber, die im Rahmen einer professionellen Beratung herausgefunden und genutzt werden können.
Wenn Sie entweder als Arbeitnehmer: in oder als Betriebsrat von einer Massenentlassung betroffen sein sollten, melden Sie sich bei uns. Unser Team Arbeitsrecht unterstützt Sie sehr gerne bei der Um- und Durchsetzung Ihrer Rechte.