Workation – Traum oder Albtraum?

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Workation – in der neuen Arbeitswelt ist dieser Begriff nicht mehr wegzudenken. Die Kombination aus Arbeit (Work) und Urlaub (Vacation) wird derzeit heftig diskutiert. Ist die Möglichkeit, den Urlaub zu verlängern und dort zu arbeiten eine neue Freiheit, oder verschwimmt durch mobile Arbeit Freizeit und Arbeit immer stärker? Ist Workation also ein Traum – oder ein Albtraum für Beschäftigte?

Vor- und Nachteile

Grundsätzlich betrifft die Möglichkeit von Workation nur einen kleineren Teil aller Beschäftigten. In Frage kommen nur die Arbeitnehmer, die ihre Arbeit hybrid, also mit einem erheblichen Anteil an mobiler Arbeit erledigen können.
Arbeitgeber erreichen mit der Möglichkeit von Workation eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und vermindern zum Beispiel den Wunsch nach einem Sabbatical. Die Zufriedenheit kann auch eine Fluktuation von Fachkräften verhindern. Darüber hinaus kann mit dieser Offenheit Nachwuchs im Rahmen des Employer Brandings, also die Attraktivität als Arbeitgeber, gewonnen werden.
Aber das bringt auch Nachteile mit sich: Das Verschmelzen von Arbeit und Freizeit kann ein Problem darstellen. Workation muss daher ein freiwilliges Angebot bleiben. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer, die Workation nutzen, in der Kritik von Arbeitskollegen stehen, die diese Möglichkeit nicht nutzen wollen oder aus verschieden Gründen nicht nutzen können. Nicht außer Acht lassen sollte man aber auch, dass Workation einen großen Kommunikations- und Koordinationsaufwand benötigt. Darüber hinaus reduziert sich die Möglichkeit für einen Arbeitgeber, die Art und Weise der Aufgabenerfüllung zu kontrollieren.

Anspruch auf Workation

Gibt es einen Anspruch auf Workation? Wenn ich etwa nach meinem normalen dreiwöchigen Urlaub noch drei Wochen Workation anschließen möchte, um zum Beispiel die Sommerferien der Kinder abzudecken? Der Jurist antwortet in solchen Fällen: „es kommt darauf an“.
Es kommt tatsächlich darauf an, was im jeweiligen Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einem gültigen Tarifvertrag geregelt ist. Wenn es hierzu keine Regelung gibt, besteht kein Anspruch auf Workation und kann nicht einfach so, im Rahmen der normalen mobilen Arbeit genommen werden.
Das Arbeitsgericht München hat sich mit einem solchen Fall befasst. Eine Arbeitnehmerin wollte durchsetzen, dass sie – deren Lebensgefährte in der Schweiz lebte – zeitweise von der Schweiz für ihren deutschen Arbeitgeber arbeiten könne. Dieser lehnte das u.a. mit dem Verweis auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Telearbeit ab, in der ausdrücklich auch die kurzfristige und gelegentliche mobile Arbeit aus dem Ausland nicht gestattet sei. Das Arbeitsgericht half in diesem Fall der Frau nicht – es gab eben keinen Anspruch auf mobile Arbeit aus dem Ausland. Vielmehr gab es ein explizites Verbot derselben.
Die Entscheidung zeigt: auch wenn mobile Arbeit vereinbart ist, heißt das noch lange nicht, dass diese mobile Arbeit von einem Ort der freien Wahl des Arbeitnehmers erfolgen kann. Das muss entweder im Arbeitsvertrag stehen oder in einer Betriebsvereinbarung.

Betriebsvereinbarung Workation

Daher sollten die Betriebsparteien die Möglichkeit einer umfassenden Betriebsvereinbarung für diese Fälle nutzen. Dies führt nicht nur zu der gewünschten Rechtssicherheit, sondern auch zu einem Mindestmaß an Gleichbehandlung der beim Arbeitgeber Beschäftigten. In der derzeitigen Praxis, in der viele Regelungen über mobile Arbeit noch die Reaktion auf die Pandemie darstellen, wird deutlich, dass oftmals abteilungsbezogene Regelungen genutzt werden, was zum Teil zu Neid und Frust in anderen Abteilungen führt. Das kann nur mit einer gut durchdachten, auf das Unternehmen zugeschnittenen Betriebsvereinbarung gelöst werden.
§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bietet die Möglichkeit, die Ausgestaltung mobiler Arbeit mitzubestimmen. Das bedeutet, dass das „Ob“ mobiler Arbeit alleine die Entscheidung des Arbeitgebers ist, dass „Wie“ – also das tatsächliche Doing in der Praxis mitzubestimmen ist.
Es empfiehlt sich auch: Kernerreichbarkeitszeiten, Arbeitszeiterfassung, Dauer bzw. Länge des jeweiligen Workation-Einsatzes, Verteilung der Arbeitszeit, Einholung und Kostentragung für nötige Aufenthaltstitel und wie der Betriebsrat über einen Workation-Einsatz informiert wird, um die Rechte nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu wahren in der Betriebsvereinbarung zu regeln.

Welches Recht findet Anwendung?

Es stellt sich bei Workation die Frage, welches Recht muss bei der Arbeit im Ausland berücksichtigt werden. Aufgrund der europäischen Freizügigkeit ist die Tätigkeit in einem anderen Land der EU möglich. Die Details richtet sich nach der ROM-I-VO. Bereits hier gebietet sich eine arbeitsvertragliche Vereinbarung über das anwendbare Recht, denn fehlt es an einer solchen Vereinbarung, richtet sich das anzuwendenden Recht nach Art. 8 Abs. 2 S. 1 ROM-I-VO. Danach kommt es maßgeblich auf den Tätigkeitsort des Arbeitnehmers an.
Bei einer nur vorübergehenden Tätigkeit aus dem Ausland, wie es bei Workation in der Regel der Fall sein wird, findet immer noch das Recht des Staates Anwendung, in dem der Arbeitnehmer aus objektiver Sicht für gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Aber trotzdem Vorsicht beim Arbeiten – auch im europäischen – Ausland. Diese Fragen sollten vorher, auch mit und durch den Arbeitgeber, geklärt werden.

Weitere Probleme

Im Rahmen der Workation ergeben sich außerdem Probleme in Bezug auf die Sozialversicherung als auch steuerrechtliche Fragen. An dieser Stelle wollen wir nur kurz andeuten, worin die Probleme liegen, eine Lösung derselben, würde diesen Rahmen sprengen, daher an anderer Stelle mehr dazu in meinem Artikel zur Workation in der Zeitschrift “Betriebsrat und Recht” (BRUR), Heft 06, 2023 S. 205-210.
Die sozialversicherungsrechtliche Problematik ergibt sich daraus, dass in der EU sich das anwendbare System der Sozialversicherung nach dem Tätigkeitsprinzip richtet. Nach diesem Prinzip unterliegt der Mitarbeiter, der beispielsweise gerade in Spanien arbeitet, während seiner Tätigkeit dort, dem lokalen Sozialversicherungssystem. Davon gibt es zwei Ausnahmen: die Entsendung und die der regelmäßigen Tätigkeit im Ausland. Beide passen eben nicht genau auf den Fall der Workation.
Die steuerrechtliche Problematik ist schnell erklärt, wer im Ausland arbeitet, zahlt dort auch Steuern. Das Besteuerungsrecht wird in der Regel dem Ansässigkeitsstaat zugeordnet. Einfach gesagt verbleibt es bei dem Lohnsteuerabzug in voller Höhe, wenn der Mitarbeiter steuerlich in Deutschland ansässig ist und sich nicht mehr als 183 Tage im Ausland aufhält. Die weiteren Voraussetzungen richten sich nach dem OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung.
Aber auch hier gilt: grundsätzlich sollten vor einer mobilen Arbeit im Ausland diese Fragen geklärt werden und das gemeinsam mit dem Arbeitgeber, um ein böses Erwachen im Paradies zu vermeiden. Übrigens: wenn in dem Gastland ein Feiertag ist, gilt das Arbeitsverbot auch für die deutschen Gäste!

Fazit

Workation kann ein Traum für den Arbeitnehmer werden. Damit es kein Albtraum für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Betrieb wird, sind durch die Betriebsparteien notwendige Regelungen aufzustellen, um eine rechtssichere Lösung für die Beschäftigten zu schaffen. Töricht wäre jedoch, wenn die Betriebsparteien vor den Risiken die Augen verschließen – sie liegen auf der Hand.
Dann kann der Traum wahr werden, am Ort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen. Natürlich nur, wenn man das selbst möchte und die eigene Disziplin dafür groß genug ist, dem schönen Wetter zu trotzen, um dem öden Meeting zu folgen oder die langweilige Excel-Tabelle zu füllen.

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Kategorie

Betriebsrat | mobile Arbeit | Urlaubsanspruch
28. Juni 2023

Ansgar F. Dittmar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator
Tel.: +49(0)69-2097378-0
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