Fluguntauglichkeit muss nicht zur Kündigung führen – Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung

Aufgepasst an Kabinenpersonal und Piloten! Heute gibt es einen Artikel, der besonders für die von Ihnen interessant ist, die beruflich fliegen. Gerade als in Frankfurt ansässige Kanzlei haben wir immer wieder mit Mandanten aus diesem Bereich zu tun – und der tut sich immer wieder mit besonders interessanten Fragestellungen und Besonderheiten hervor.

Heute soll es um ein BAG-Urteil vom 26.Februar 2020 (Az 7 AZR 61/ 19) gehen, welches die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund von Fluguntauglichkeit und mögliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten behandelt.

Die auflösende Klausel

Aber vorab zunächst ein paar Worte zur auflösenden Bedingung. Wie der Name schon sagt, löst die Bedingung ein bestehendes Arbeitsverhältnis auf, sobald sie eintritt. In solchen Fällen findet das Teilzeit- und Befristungsgesetz Anwendung.

Nach § 21, 14 Abs. 1 TzBfG bedarf es aber eines sachlichen Grundes für eine solche Bedingung. Der kann in verschiedenen Gründen bestehen, etwa wenn nur vorrübergehend Bedarf besteht. Ein Arbeitnehmer kann die gerichtliche Kontrolle einer solchen Bedingung verlangen, wenn er innerhalb von drei Wochen reagiert. Diese Frist kennen einige von der Kündigung. Die Besonderheit hier ist allerdings, dass der Vertrag nicht durch Zustellung einer Kündigung, sondern automatisch mit Bedingungseintritt endet. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer allerdings zwei Wochen vorher unterrichten. Sollte die Bedingung bereits vor dem Ablauf dieser zwei Wochen eingetreten sein, beginnt die drei-Wochen-Frist der Klage grundsätzlich erst ab Zustellung des Unterrichtungsschreibens.

Das Urteil des BAG

Das BAG hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Flugbegleiter aufgrund von Fluguntauglichkeit gekündigt werden sollte. Auf die angesprochene Frist kam es nicht mehr an, dafür aber auf eine Weiterbeschäftigung, die Notwendigkeit der Durchführung eines Wiedereingliederungsmanagement und die Beteiligung der Personalvertretung.

In § 20 Abs. 1 des einschlägigen Manteltarifvertrags (Verlust der Flugdiensttauglichkeit) war geregelt: „Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne das es einer Kündigung bedarf, …“

Abs. 3 lautet dann: „Die Bestimmungen des § 19 Abs. (3) gelten für den Fall einer Weiterbeschäftigung als Angestellter mit einer anderen nicht fliegerischen Tätigkeit entsprechend.“

Und in § 19 Abs. 3 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze) heißt es: „Kabinenmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der D noch auf Seiten des Kabinenmitarbeiters.“

Nachdem der Arbeitnehmer dauerhaft flugdienstuntauglich wurde, unterrichtete der Arbeitgeber über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Zusätzlich wurde sich über sein Interesse an einem Arbeitsplatz am Boden erkundigt. Dies wurde bejaht und es sollte ein Gespräch stattfinden, welches bisher immer verschoben wurde.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde, weil die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist.

Auflösung wegen Fluguntauglichkeit

Das Gericht legte die Bedingung entgegen dem Wortlaut dahingehend aus, dass sowohl die Fluguntauglichkeit und die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gefordert wird. Der sachliche Grund, der im Gesetz gefordert wird, kann nicht allein in der Fluguntauglichkeit gesehen werden. Erst die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit stellte einen sachlichen Grund dar. Solange eine Weiterbeschäftigung möglich ist, überwiegt das Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers. Hinsichtlich der Weiterbeschäftigung verlangt das Gericht allerdings, dass der Arbeitnehmer diese Bereitschaft vor Ablauf der Frist erklärt.

Trotzdem ist nicht jeder freie Arbeitsplatz zur Weiterbeschäftigung geeignet. Es muss sich vielmehr um einen Arbeitsplatz handeln, der dem Leistungsvermögen, fachlichen und berufspraktischen Kenntnissen entspricht. Es reicht auch, wenn ein solcher Arbeitsplatz nicht unmittelbar aber in absehbarer Zeit vorliegen wird.

Prüfung der Weiterbeschäftigung

Das Bundesarbeitsgericht wies den Fall an das vorinstanzliche Gericht zurück, um zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht.

Es sei am Arbeitgeber das Vorliegen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu bestreiten. Der Arbeitnehmer muss darlegen, wie er sich eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vorstellt, daraufhin kann der Arbeitgeber darstellen, warum eine solche Beschäftigung nicht in Frage kommt.

Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem betrieblichen Eingliederungsmanagement zu. Zwar hat es keine Auswirkungen auf die Auflösung aber ein fehlendes oder fehlerhaftes Verfahren darf nicht zum Vorteil des Arbeitgebers bei der Darlegung führen. Das führt dazu, dass der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht einfach bestreiten kann.

Fazit

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts lassen sich zunächst zwei direkte Folgen für Arbeitnehmer ableiten: So gilt es bei Bedingungseintritt bzw. bereits bei Erhalt des Unterrichtungsschreiben des Arbeitgebers zu entscheiden, ob hiergegen vorgegangen werden soll und ggf. anwaltlichen Rat einzuholen ist. Zugleich ist dem Arbeitgeber anzuzeigen, dass an einer Weiterbeschäftigung beim Bodenpersonal Interesse besteht.

Daneben zeigt das Urteil, dass eine auflösende Bedingung nicht zwingend wirksam sein muss und eine Bedingung einen sachlichen Grund benötigt. Gerade Kabinenpersonal sollte gegebenenfalls dieses Urteil  bei der Feststellung von Flugdienstuntauglichkeit zum Anlass nehmen, den eigenen Tarifvertrag auf eine entsprechende Klausel zu überprüfen. Insoweit ein notwendiges betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt wurde, kann sich dies aufgrund der veränderten Darlegungslast als vorteilhaft für den Arbeitnehmer erweisen.

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Ansgar F. Dittmar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator
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