Lieferdienstfahrer dürfen Betriebsrat wählen

Betriebsräte übernehmen enorme Aufgaben in unseren Betrieben. Sie stellen die Schnittstelle zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern dar. Bei Problemen sind sie vermittelnd tätig. Dass in Betrieben mit einer bestimmten Anzahl an Mitarbeitern ein Betriebsrat gewählt werden darf, ist jedem klar. Doch wie steht es um Lieferdienstfahrer? Haben diese auch ein Anrecht auf eigene Betriebsratswahlen?

In dem Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2024, Az. 2 BV 56/23 finden wir die Antwort. Hierbei haben sich nämlich die Beteiligten über die Anfechtung, also der Nichtigkeit einer Betriebswahl gestritten.

 

Allgemeines zum Betriebsrat

Der Betriebsrat ist ein gewähltes Organ zur Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer in Betrieben der privaten Wirtschaft. Nach § 1 Abs. 1 BetrVG wird er in einem Betrieb mit mehr als fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern gewählt. Hierfür müssen mindestens drei Arbeitnehmer wählbar sein. Die Wahl der Betriebsräte findet in einer geheimen, unmittelbaren Wahl statt, § 14 Abs. 1 BetrVG. Die Betriebsräte werden für eine Amtsperiode von vier Jahren gewählt. Alle Arbeitnehmer des Betriebs, welche das 18. Lebensjahr vollendet, haben sind nach § 7 BetrVG wahlberechtigt. Tatsächlich ist die Anzahl der Betriebsräte nach der Anzahl der Mitglieder in einem Betrieb gestaffelt.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten haben sich über die Anfechtung, genauer gesagt der Nichtigkeit einer Betriebswahl gestritten. Die Arbeitgeberin hat Dienstleistungen im Bereich der Essenslieferung angeboten.

A, 06.04.2023 wurde der dreiköpfige Betriebsrat für das Liefergebiet Aachen gewählt. Am 21.04.2023 hat die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag die Feststellung der Nichtigkeit begehrt. Aus ihrer Sicht war die Wahl des Betriebsrats unwirksam, da der Betriebsbegriff verkennt wurde. Zudem hat sie die Feststellung der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung des Liefergebietes begehrt. Hierzu hatte sie ausgeführt, dass es sich bei dem Aachener Liefergebiet nicht um einen eigenständigen Betrieb handele. Und um einen qualifizierten Betriebsteil im Sinne des § 4 BetrVG handele es sich bei dem Liefergebiet ihrer Ansicht nach ebenso nicht. Es fehle damit an der hinreichenden organisatorischen Selbstständigkeit. Zudem würden die Fahrer aus Aachen einen einheitlichen Betrieb mit den Lieferdienstfahrern aus Köln bilden.

Vor dem Arbeitsgericht ist die Arbeitgeberin deshalb gegen die Betriebsratswahl ihrer eigenen Fahrer vorgegangen.

 

Ansicht des Betriebsrats

Tatsächlich waren die Betriebsräte der Ansicht, dass die Wahl zum Betriebsrat in dem Liefergebiet ordnungsmäßig stattgefunden hat. Der Wahlvorstand hat den Betriebsbegriff seiner Ansicht nach gerade nicht verkannt.

 

Urteil des Gerichts

Das Gericht hat die Argumentation der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Gemäß § 4 BetrVG darf in einem qualifizierter Betriebsteil ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden. Für das Liefergebiet Aachen gilt entsprechend auch diese Regelung.

Zudem sei das Liefergebiet Aachen von dem Kölner Hauptbetrieb organisatorisch, sowie räumlich abgrenzbar. Außerdem gebe es keinen Austausch von Arbeitnehmern zwischen Aachen und Köln.

Die Ausübung des Weisungsrechts spricht ebenso für eine klare Abgrenzbarkeit des Liefergebiets Aachen zu dem in Köln. Durch die digitale Steuerung per App sind alle Arbeitnehmer der abgrenzbaren Einheit in Aachen dem Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterlegen. Bei dem Weisungsrecht kommt es nicht darauf an, dass die Personen, welche das Weisungsrecht ausüben, auch wirklich in Aachen sind.

 

Fazit

Damit steht fest: Lieferdienstfahrer, welche durch eine App in einem abgrenzbaren Liefergebiet eingesetzt werden, dürfen einen eigenständigen Betriebsrat wählen. Somit können die drei bereits gewählten Betriebsräte ihre Aufgaben aufnehmen.

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Ansgar F. Dittmar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator
Tel.: +49(0)69-2097378-0
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