Kündigung wegen Kokainkonsum von Betriebsrat

Einleitung

Drogen und Drogenkonsum auf der Arbeit ist nicht gern gesehen. Das wissen wir alle! Der Drogenkonsum kann zu erheblichen Gesundheitsproblemen und zur Beeinträchtigung der Fähigkeiten führen. Zudem gefährdet das Arbeiten unter Drogeneinfluss die Sicherheit aller Mitarbeiter im Betrieb.

In unserem Beitrag des Urteils des LAG Niedersachsen (06.05.2024. Az.: 4 Sa 446/23) dreht sich alles um die Droge Kokain. Ob die Kündigung der Arbeitgeberin aufgrund des Drogenkonsums eines Betriebsratsmitglieds gerechtfertigt ist, erfahren Sie hier.

 

Sachverhalt

Kläger des Falles war ein im Jahr 1982 geborener Mann, welcher seit 2002 bei der Beklagten als Kommissionierer beschäftigt war. Als freigestelltes Betriebsratsmitglied war er seit 2018 bei der Logistikgesellschaft tätig.

Der Kläger wurde am 17.08.2022 von dem Betriebsratsmitglied B. durch die Scheiben des Betriebsratsbüros bei einer ungewöhnlichen Handlung beobachtet. B. beobachtete wie der Kläger am Schreibtisch ein weißes Pulver mit einer Karte zu einer Linie formte und dies mit einem Röhrchen durch die Nase konsumierte. Daraufhin wurde der Kläger von B. mit dem Geschehenen konfrontiert. Er äußerte sich, dass B. sich keine Sorgen machen müsse und es sich bei der Substanz nicht um Drogen oder Ähnliches handeln würde.

Am 30.08.2022 wurde die Betriebsleitung von B. per E-Mail von diesem Vorfall informiert. Eine Anhörung des Klägers erfolgte am 06.09.2022. Er versicherte, dass es bei der Substanz um Schnupftabak mit Traubenzucker gehandelt habe. Im Anschluss zeigte er den Gesprächsteilnehmern eine Flasche mit der Aufschrift „Schneeberg“ aus seinem Büro. Auf Nachfrage bezüglich eines Drogentests antwortete der Kläger, dass er darüber selbst bereits nachgedacht hatte. Drogentests können gewöhnlich bei einem Hausarzt oder dem Gesundheitsamt durchgeführt werden. Bis zum folgenden Freitag wollte der Kläger über einen Drogentest nachdenken.

Die Beklagte hatte den Kläger am 08.09.2022 darüber informiert, dass sie die Kosten des Drogentests übernehmen werde. Eine Rückmeldung durch den Kläger gab es daraufhin nicht. Vielleicht ist in solch einem Fall eine Kündigung des Betriebsratsmitglieds gerechtfertigt. 

 

Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung  

In dem Betrieb gilt seit dem 01.02.2015 die Gesamtbetriebsvereinbarung zum Umgang mit Suchtmitteln. Im Folgenden heißt es hierzu:

§ 3 Suchtmittelverbot

3.1 Unter dem Begriff „Suchtmittel“ sind alle substanzgebundene Mittel mit einer bewusstseinsverändernden Wirkung zu verstehen, z.B. Medikamente, Alkohol, Drogen, Opiate etc.

3.2 Innerhalb der Betriebe und an anderen Dienstorten ist jeglicher Konsum von Suchtmitteln wegen der davon ausgehenden Gefahr für Sicherheit und Gesundheit untersagt. Diese Regelung gilt von Arbeitsbeginn bis Arbeitsende einschließlich der Pausen.

§ 4 Maßnahmen

Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Umgang mit Suchtmitteln werden in der Regel analog der nachfolgend beschriebenen Interventionskette durchgeführt. Diese bestehen aus den nachfolgend beschriebenen Stufen. Gleichwohl behält sich der Arbeitgeber das Recht vor, bei Vorliegen von Verstößen gegen arbeitsrechtliche Verpflichtungen/ Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen.

4.1 Fürsorgegespräch

4.2 Klärungsgespräch

4.3. Erste Interventionsstufe

4.4 Zweite Interventionsstufe

 

Kündigung durch Beklagte

Der Betriebsrat wurde am 09.09.2022 über die außerordentliche fristlose Kündigung des Klägers informiert. Die Zustimmung wurde durch den Betriebsrat auf der Sitzung vom 12.09.2022 mündlich erteilt. Der Vorsitzende übergab die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung mit den an den Kläger gerichteten Worten: „Dann haben Sie das jetzt auch offiziell…“. Tatsächlich war der Anhörungsbogen bei der „Unterschrift Betriebsrat“ und den Ankreuzmöglichkeiten „stimme zu“ und „gibt folgende Stellungnahme ab“ nicht ausgefüllt. Es lag keine Unterschrift des Betriebsrats auf diesem Dokument vor. Am 12.09.2022 kündigte die Beklagte dem Kläger das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

 

Handlung des Klägers

Der Betroffene hat am 27.09.2022 beim Arbeitsgericht Oldenburg eine Klage eingereicht. Diese ist auch der Beklagten am 01.10.2022 zugegangen. Hierin heißt es, dass keine Zustimmung durch den Betriebsrat zur Kündigung vorliegt und diese nicht durch das Arbeitsgericht ersetzt wurde. Die Beklagte hat am 23.11.2022 dem Kläger hilfsweise eine weitere außerordentliche Kündigung erteilt.

Nach der Ansicht des Klägers ist die erste außerordentliche Kündigung (vom 12.09.2022) unwirksam. Es habe keine Verpflichtung zum Drogentest bestanden. Die außerordentliche Kündigung sei seiner Meinung nach ebenfalls unverhältnismäßig, da er angegeben hatte, durch den Schnupftabak nicht in seinen Fähigkeiten eingeschränkt gewesen zu sein. Zudem übe er keine gefährlichen Tätigkeiten aus.

Im Folgen hat der Kläger beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 12.09.2022 nicht beendet wird. Zudem hat er beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 23.11.2022 nicht beendet wird. Im Falle des Siegens beantragt der Kläger außerdem, dass er bis zur Freistellung als Betriebsrat weiter beschäftigt wird.

 

Ansicht der Beklagten

Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Ihrer Auffassung nach lagen die Voraussetzungen einer Tatkündigung wegen des Konsums harter Drogen vor. Auf jeden Fall würden die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung vorliegen. Die Beklagte ist überzeugt, dass der Kläger am 17.08.2022 Kokain konsumiert hat und dass er einem Drogentest nicht zugestimmt hat. Für sie ist das Vertrauensverhältnis verletzt und das Hervorbringen von unwahren Behauptungen stelle eine nicht hinnehmbare Pflichtverletzung dar.

 

Urteil des Arbeitsgerichts zur Kündigung

Am 22.05.2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung brachte das Gericht hervor, dass zwar nicht von einer nachgewiesenen Pflichtwidrigkeit des Klägers ausgegangen werden kann. Jedoch sei die fristlose Kündigung vom 12.09.2022 durch die Beklagte als Verdachtskündigung wirksam. Die dringenden Verdachtsmomente, dass der Kläger harte Drogen während der Arbeitszeit konsumiert hat, lagen für das Gericht vor. Durch den Konsum von Kokain werde das erforderliche Vertrauen für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zerstört. Nach Ansicht des Gerichts waren die Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten inhaltlich angemessen und nicht zu beanstanden. Die außerordentliche Kündigung sei außerdem verhältnismäßig. Zudem sei die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung nicht zu beanstanden.

 

Berufungsbegründung des Betriebsratsmitglieds

Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus der ersten Instanz wiederholt und vertieft dargelegt. Seiner Ansicht nach lägen die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung nicht vor. Er bemängelt, dass das Arbeitsgericht die Pflichtverletzung, welche er begangen haben soll, nicht beschrieben hat. Er argumentiert, dass seine Arbeit gefahrenungeneigt wäre. Jedoch räumt er ein, dass er sich wegen eines Verstoßes gegen die GBV schuldig gemacht hat. Hierfür hätte es seiner Ansicht nach mildere Mittel als eine fristlose Kündigung geben müssen. Zudem sei die Anhörung wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften rechtswidrig. Die Kündigung vom 23.11.2022 sei ebenso unwirksam.

Damit beantragt der Kläger das Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die beiden Kündigungen nicht beendet wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Beklagte hat beantragt die Berufung zurückzuweisen, da sie mit dem Urteil einverstanden ist. Grundsätzlich war die Berufung des Klägers gem. § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet. Jedoch kommt es nicht nur ausschließlich auf die Form- und Fristvorschriften an. Darüber hinaus ist der Inhalt der Berufung das Hauptaugenmerk. Die Klage ist unbegründet.

Zwar ist grundsätzlich eine Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unzulässig. Jedoch liegen besondere Tatsachen vor, die die Beklagte zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers aus wichtigem Grund berechtigt. Somit muss keine Kündigungsfrist eingehalten werden.

Die Kammer hat dem Arbeitsgericht zugestimmt, dass kein erwiesener wichtiger Grund für eine Tatkündigung vorliegt. Sie bejaht stattdessen wie das Arbeitsgericht die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung.

 

Gründe für Kündigung

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Einen wichtigen Grund kann hierbei der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bilden. Der Verdacht wurde auf bewiesene Tatsachen gestützt und war dringend. Hierbei zählt keine strafrechtliche Bewertung, sondern einzig und allein der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten. Hinzukommt der damit verbundene Vertrauensbruch.

 

Konsum von Kokain

Der Konsum von Kokain während der Arbeitszeit und in den Räumen des Arbeitgebers stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Dies ist einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB. Im Betrieb war es durch die Gesamtbetriebsvereinbarung allen Mitarbeitern untersagt Suchtmittel zu konsumieren.

Am 17.08.2022 wurde der Kläger unstreitig dabei beobachtet, dass er während der Arbeitszeit und in den Räumlichkeiten der Beklagten, Kokain konsumierte. Für diese Annahme spricht, dass der Kläger einen Drogentest verweigert und nicht ausgeführt hat. Es hätte auch zu einem späteren Zeitpunkt noch der Nachweis erbracht werden können, dass es sich bei dem konsumierten nicht um Kokain handelte. Dieser Tatverdacht wird auch dadurch nicht entkräftet, dass er den Beteiligten beim Gespräch eine Flasche „Schneeberg“ präsentierte.

Somit wurde das für die Fortsetzung erforderliche Vertrauen zerstört. Die Beklagte hat sich keine Pflichtverletzungen einzustehen. Eine ordnungsgemäße Anhörung des Klägers ist zudem erfolgt.

 

Zulässige Kündigung

Die Pflichtverletzung des Klägers ist schwerwiegend und weitreichend. Der Beklagten kann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der normalen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden. Das Arbeitsverhältnis ist bereits durch die Kündigung vom 12.09.2022 beendet worden. Somit bestand zum Zeitpunkt der Kündigung vom 23.11.2022 kein Arbeitsverhältnis mehr.

 

Fazit der Kündigung

Die Beklagte ist zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Mitglieds des Betriebsrats aus wichtigem Grund berechtigt. Sie muss keine Kündigungsfrist einhalten, da das Vertrauensverhältnis derart gestört ist, dass keine Weiterbeschäftigung möglich ist.

Sie sehen: Finger weg von Kokain und anderen Drogen auf der Arbeit! Dies gilt genauso für Betriebsratsmitglieder.

Haben Sie einen ähnlichen Fall bei sich im Betrieb? Dann seien Sie aufmerksam und sprechen Sie die Betroffenen direkt an. Liegt Ihnen als Abreitgeber ein solcher Fall in Ihrem Betrieb vor, so lassen Sie sich über das weitere Vorgehen beraten. Unser Team steht Ihnen in allen arbeitsrechtlichen Fragen gerne zur Seite. Mit unsere Online-Terminvergabe kommen Sie schnell und einfach an ein Gespräch mit unseren Experten.

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Kategorie

Allgemein | Betriebsrat | Kündigung
25. September 2024

Ansgar F. Dittmar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator
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