In unserem heutigen Beitrag erläutern wir das Urteil des LAG Schleswig-Holstein v. 11.10.2023 – 6 Sa 48/23. Hierbei hat eine Angestellte den früheren Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagt. Grund dafür sollte das Mobbing von anderen Kollegen sein, was bei ihr Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorgeführt haben, soll. Ob ein Fall des Mobbings wirklich vorlag und somit ein Anspruch auf Schadensersatz besteht, schauen wir uns nun genauer an.
Sachverhalt
Die Klägerin war seit 1998 als Zahnarzthelferin bei dem Beklagten in der Praxis beschäftigt. Eine Kündigung erfolgte im Sommer 2022 durch den Beklagten. Insgesamt waren alle Kündigungsschutzklagen der Klägerin in drei Instanzen erfolgslos.
Einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens in Höhe von 40.000 Euro macht die Klägerin geltend. Grund dafür sei die widerrechtliche Verletzung ihrer Gesundheit. Hinzu käme die widerrechtliche Verletzung des ideellen Teils ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Dieses wurde verletzt durch das „Mobbing“ des Beklagten und seinen Mitarbeiterinnen. Durch das Mobbing sei die Klägerin in ihrer Gesundheit verletzt worden. Weitere Gesundheitsbeschwerden waren ein erhöhter Ruhepuls und Magenbeschwerden. Außerdem hatte sie auch Gedankenreise, Zukunftsängste und eine anhaltende Depression. Deswegen wollte die Klägerin Schadensersatz vom Arbeitgeber erhalten.
Verhalten der Mitarbeiterinnen
Als besonders schwerwiegend empfand die Klägerin das Verhalten der Kollegin S. Ihrer Meinung nach wäre S. die treibende Kraft in den Persönlichkeitsverletzungen gewesen. Begründen tut die Klägerin dieses Verhalten mit Neid und der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Die Klägerin war bereits länger in der Zahnarztpraxis beschäftigt als alle anderen Kolleginnen. Sie war dadurch in der Annahme, dass sie eine Art „Weisungsrecht“ gegenüber den anderen Mitarbeiterinnen habe. Von den anderen Kolleginnen wurde dieses nicht beachtet. Außerdem wurden sich Konflikte zwischen beiden Parteien ausgedacht und an dem größeren Kompetenz- und Tätigkeitsspektrum der Klägerin gezweifelt.
Hinzu kam die Corona Pandemie, welches das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Vor ihr hatten alle Kolleginnen besonders Angst gehabt. Ihre Panik hat weitere Anfeindungen mit der Klägerin entstehen lassen. Als diese nach einer überstandenen Corona-Erkrankung sich gegen eine Impfung entschieden hat, wurde sie zur offiziellen Feindin erklärt.
Wunsch auf Schadensersatz
Die Klägerin war der Ansicht, dass sie wegen ihrer polnischen Herkunft und ihres katholischen Glaubens gehänselt wurde. Fehler anderer Kolleginnen wurden ihr in die Schuhe geschoben. Zudem gab es in ihrem Beisein nur noch Getuschel und Lästereien. Schweigen und abschätzende Blicke waren dabei an der Tagesordnung.
Hauptproblem bei den Streitereien der Frauen war die Corona Impfung. Immer wieder kamen Nachfragen, ob sie sich nicht doch endlich impfen lassen wolle. Die Kolleginnen verhielten sich zunehmend provokant ihr gegenüber. Beispielsweise in denen Momenten, als sie mit Maske den Raum betrat. Hierbei wurden demonstrativ alle Fenster geöffnet und meterweit Abstand von der Klägerin gehalten.
Zuerst hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Daraufhin legte die Klägerin Berufung ein, welches das Landesarbeitsgericht jedoch abgelehnt hat. Anschließend wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Die Gründe
Begründet wurde die Abweisung damit, dass die Klage unbegründet ist. Die Klägerin hat keine Anspruche wegen eines als „Mobbing“ zu bewertendes Verhalten.
Der Begriff „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und damit hat es auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbstständige Anspruchsgrundlage. Werden konkrete Ansprüche von einem Arbeitnehmer aufgrund von Mobbing geltend gemacht, so muss detailliert nachgeprüft werden. Und zwar in der Art, ob der Beklagte in den genannten Fällen wirklich wesentliche Pflichten verletzt hat. Dabei müsste es sich um arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen handeln: Etwa ein absolutes Recht eines Arbeitgebers iSd. § 823 Abs. 1 BGB oder ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB. Es könnte zudem auch eine sittenwidrige Schädigung iSd. § 826 BGB begangen worden sein.
Tatsächlich sind die vorgetragenen Ereignisse nicht geeignet, Ansprüche auf Ersatz eines immateriellen Schadens zu begründen.
Fehlen von Beweisen
Die Pflichtverletzung des Beklagten könne gerade nicht durch die vorgelegten Atteste bewiesen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts begründet ein „mobbingtypischer“ Befund nicht die Kausalität zwischen dem behaupteten Mobbing und ärztlichen Befund. Es ist gerade nicht bewiesen, dass das behauptete Mobbing wirklich stattgefunden hat.
Dem Beklagten wird vorgeworfen, dass er nicht zum Schutz des Opfers tätig wurde und keine Handlungen gegen das Mobbing unternommen hat. Gegen diese Schutzpflicht habe der Beklagte nicht schuldhaft verstoßen, so das Gericht.
Das Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass eine schuldhafte Verletzung der arbeitgeberseitigen Schutzpflicht nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht kommt. Und zwar dann, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von den Verletzungen der Rechte oder Rechtsgüter des Arbeitnehmers durch andere Arbeitnehmer hat. Dies hatte der Beklagte nicht. Hierfür gebe es gerade keine allgemeine Lebenserfahrung, wonach der Inhaber einer Praxis solche Fälle erkennen könnte.
Fraglich ist ebenso, was „wesentliche Mobbinghandlungen“ darstellen sollen und wie ein Betriebsinhaber diese wahrnehmen soll.
Folge: Kein Schadensersatz
Für ein etwaiges Verschulden der Mitarbeiterinnen als seiner Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB haftet der Beklagte in diesem Fall nicht. Nach dieser Vorschrift haftet der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gegenüber für schuldhaft begangene Persönlichkeitsrechts- oder Gesundheitsverletzungen. Voraussetzung ist immer ein innerer sachlicher Zusammenhang der schuldhaften Handlungen mit den Aufgaben, welche der Schuldner dem Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Grundlage hierfür ist das Urteil des BAG vom 16.05.2007 (8AZR 709/06). Dieser liegt vor, wenn die Erfüllungsgehilfen gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer für Fürsorgepflicht konkretisieren, also ihm gegenüber einer Weisungsbefugnis haben. Tatsächlich waren die Mitarbeiterinnen der Klägerin gegenüber nicht weisungsbefugt und auch nicht ihre Vorgesetzten.
Folglich besteht kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz eines immateriellen Schadens in Höhe von 40.000 Euro.
Fazit zum Schadensersatz
Wie Sie sehen, gab es kein bewiesenes Mobbing. Somit besteht kein Anspruch und es gibt kein Schmerzensgeld. Ein ärztliches Attest mit „mobbingtypischem“ Befund ist hier nicht ausreichend. Zudem fehlen Beweise der erforderlichen Kenntnis des Beklagten von den behaupteten Mobbingvorwürfen der Kolleginnen.
Haben Sie ein ähnliches arbeitsrechtliches Problem, dann wenden Sie sich gerne an uns. Mit unserer Online-Terminvereinbarung kommen Sie bequem an einen Termin. Auf unserer Website finden Sie weitere interessante Blogbeiträge zu arbeitsrechtlichen Themen.
Melden Sie sich – wir kümmern uns!