In Deutschland hat das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) einen immensen Stellenwert. Es ist derart wichtig, dass dieses Recht auch selbst in der Verfassung verankert ist. Grundsätzlich soll durch das APR gewährleistet werden, dass sich jeder Mensch frei entfalten und seine Persönlichkeit frei ausleben kann. Dazu sollte dazu auch die Kleiderwahl und die Wahl der jeweiligen Farbe zählen, oder etwa nicht? Könnte bei Vorschriften von bestimmten Kleidungsstücken und einzelner Farben eine Einschränkung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegen? In dem Fall aus dem Urteil des LAG Düsseldorf vom 21.05.2024 – 3La 224/24 empfand der Kläger durch die Vorschrift der Farbe der Arbeitskleidung eine Einschränkung. Was genau passiert ist und wie das Gericht geurteilt hat, schauen wir uns nun an.
Allgemeines zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht
Doch zuerst klären wir, was das Allgemeine Persönlichkeitsrecht überhaupt ist. Dafür müssen wir in die Artikel 1 und 2 des Deutschen Grundgesetzes reinschauen. Hier heißt es:
Artikel 1 GG:
Abs. 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Abs. 2: (…)
Abs. 3: (…)
Artikel 2 GG:
Abs. 1: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Abs. 2: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst mehrere Aspekte der persönlichen Autonomie. Beispiele hierfür sind die Ehre, der Name, das Bildnis und die Privatsphäre einer Person. Jeder Mensch kann sich auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen. Zudem ist das Recht auf Selbstbestimmung ein elementarer Part des Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dies gewährt jedem von uns die Freiheit, seine persönliche Identität zu gestalten und seine eigenen Angelegenheiten zu entscheiden.
Auf dem Arbeitsplatz wird das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch verschiedene Gesetze und Regelungen gewährleitet. Dies sind unter anderem folgende:
- Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
- Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
- Telekommunikationsgesetz (TKG)
Die Gerichte sind dazu verpflichtet die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmenden vor Eingriffen und Einschränkungen des Arbeitgebers zu schützen. Ein wichtiger Punkt ist hierbei das Kündigungsschutzrecht.
Wenn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einen solch hohen Stellenwert hat, dann braucht der Mitarbeiter doch keine rote Arbeitshose tragen und muss die Einschränkung nicht hinnehmen. Oder etwa doch?
Sachverhalt zur möglichen Einschränkung
Seit Juni 2014 war der Betroffene bei dem beklagten Industriebetrieb beschäftigt. In der Abteilung der Produktion zählten zu seinen Aufgaben das Arbeiten mit Kappsägen und Akkubohrern zum Zuschnitt und der Montage von Profilen. Einige seiner Aufgaben mussten hierbei im Knien ausgeführt werden.
Im Betrieb der Beklagten herrschte eine Kleiderordnung. Die Arbeitgeberin hatte für alle Arbeiten in der Montage, Produktion und Logistik entsprechende funktionelle Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt. In entsprechend gekennzeichneten Bereichen musste eine rote Arbeitsschutzhose getragen werden. Der Kläger kam dieser Kleiderordnung im Betrieb nicht nach und trug nicht die vorgeschriebene rote Arbeitshose. Im November 2023 mahnte die Beklagte ihren Mitarbeiter zwei Mal ab. Der Mitarbeiter argumentierte, dass die Vorgabe der Farbe der Arbeitshose eine Einschränkung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht darstelle. Trotzdem erschien er weiterhin anstelle der roten Arbeitshose in einer schwarzen Hose. Am 27.11.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 29.02.2024.
Die Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht ab. Vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Berufung keinen Erfolg und die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Gründe
Aufgrund des Weisungsrechts war die Arbeitgeberin berechtigt die Farbe Rot als Farbe der Arbeitsschutzhosen vorzuschreiben. Sachliche Gründe haben in diesem Fall genügt, da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nur in der Sozialsphäre betroffen war. Das Gericht sah diese gegeben. Der ausschlaggebende Grund für die Entscheidung des Gerichts war die Arbeitssicherheit. Die Farbe Rot durfte die Arbeitgeberin wählen, weil der Kläger auch in Produktionsbereichen arbeitete, in denen Gabelstapler fuhren. Zudem erhöht die rote Farbe auch die Sichtbarkeit in allen anderen Produktionsbereichen. Außerdem war ein anderer Grund von der Arbeitgeberseite, dass die Corporate Identity in den Werkshallen gewahrt wird.
Bemerkenswerterweise hatte der Kläger zuvor jahrelang die rote Arbeitshose getragen und sich zuvor nie beschwert. Gründe für seine sich plötzlich geänderte Ansicht konnte er weder schriftlich noch mündlich vor Gericht aufbringen. Sein aktuelles ästhetische Empfinden hat der Farbe der Arbeitshose nicht mehr entsprochen. Diese Begründung genügte dem Gericht jedoch nicht. Nach Abwägung beiderseitiger Interessen, überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten. Mit der ordentlichen Kündigung hat das Arbeitsverhältnis zum 29.02.2024 geendet.
Fazit zur Einschränkung
Die Arbeitgeberin darf in diesem Fall dem Arbeitnehmer die Farbe der Arbeitsschutzhose vorschreiben. Bei der Farbe Rot handelt es sich um eine Warnfarbe, welche bei den Aufgaben eines Mitarbeiters und in den gefährlichen Bereichen eines Betriebes von großer Relevanz ist. Zudem schafft eine gleiche Farbe eine Einheit in dem Betrieb.
Wie wir also gesehen haben, ist die Sicherheit am Arbeitsplatz in diesem Fall wichtiger als das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die rote Arbeitshose stellt einen geringen Einschnitt in die freie Entfaltung der Persönlichkeit dar. Dies muss jedoch im Hinblick auf die Arbeitssicherheit zurückstehen.
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